Amerikanisches LNG für Europa – geht’s noch

Europas LNG Käufer haben ein Problem. Asien saugt den Markt leer und neue LNG Projekte interessieren sich auch nicht für die langweiligen Europäer mit ihren komischen Projekten. Sie wollen Geld, viel Geld. Kein Grund für viele europäische Käufer sich nicht blenden zu lassen.

„Wenn einer eine Reise tut, dann hat er was zu erzählen(…)“ (Matthias Claudius). So geschehen bei einigen europäischen LNG Aspiranten, die sich teure Regasifizierungskapazität eingekauft hatten und nun ohne leistbares LNG darauf sitzen bleiben. Für einige Firmen ist das eine existentielle Frage. Man kann förmlich spüren wie der Druck steigt.

Man kann den Aspiranten nicht verübeln wenn sie einige verzweifelte Optionen verfolgen. Schließlich werden sie von Ihren Eigentümern für die verlorenen Investments geprügelt und wer Schmerzen spürt sucht nach einem Ausweg. Es ist nur nicht immer gesagt, dass der gesuchte Weg der Rettende ist.

Einige wenden sich in ihrer Pein an LNG Projekte in den Vereinigten Staaten. Dort soll immerhin aus billigem Gas LNG hergestellt werden, und wenn man davon einiges abbekäme, dann könnte man zumindest in Zukunft einige Schmerzen lindern. Ist das schlau?

Sehen wir uns das Grundlegende an. Was braucht man um LNG, das auf dem Weltmarkt überall wettbewerbsfähig ist, zu erzeugen?

Zuerst einmal eine stabile, billige Erdgasquelle. Katar erzeugt Rohgas quasi zum Nulltarif. Das Pars-Feld liegt im etwa 60 Meter tiefen Wasser im lauschigen Persischen Golf. Auch die Bohrtiefe ist nicht besonders herausfordernd. Einfach Jack-Up Rigs können dort mit vollkommen konventionellen Methoden nach sehr Kondensatreichem Gas bohren. Unsicherheit über das Reservoir ist nahezu ausgeschlossen. Einmal reinpiksen und das Gas fließt. Außerdem kann man sich im Persischen Golf auf eine erstklassig ausgebaute Energieinfrastruktur verlassen. Alles ist in rauen Maßen da. Und billig.

So macht die Erdgasförderung Spaß. Und kostet auch nicht viel. Das Kondensat allein bezahlt die gesamte Operation und verdient dabei noch eine Menge Geld. Selbst wenn der LNG-Preis auf 20% des heutigen Niveaus fällt, könnten die Kataris immer noch sehr viel Geld damit verdienen. In Afrika beispielsweise geht man von einem Rohgaspreis von 0,60 USD pro mmBTU aus. Das ist weniger als ein Fünftel des US-Erdgases am Henry Hub.

Amerikanisches Erdgas ist also nicht billig, wenn man damit LNG herstellen will. Ich meine damit LNG zur Verschiffung nach Übersee.

Weiter geht’s mit den Verarbeitungskosten. Man braucht einen gigantischen Kühlschrank um Erdgas auf minus 161 Grad Celsius herunterzukühlen. Bei so einer großen Anlage geht das in die zig Milliarden USD. Nun darf man aber nicht vergessen, dass beinahe alle US LNG Projekte ehemals LNG Regasifizierungsterminals waren die Bankrott gingen. Nordamerika brach als Importmarkt für LNG völlig in sich zusammen wegen der Schiefergas Revolution. Wie gesagt, für US Konsumenten ist das Erdgas sehr billig, aber für die LNG Produktion ist eigentlich zu teuer.

Klassische Terminals im Mittleren Osten oder in Afrika kommen auf Verflüssigungskosten von etwa 2 USD pro mmBTU. Der Bau war da noch billiger und vor allem waren keine bankrotten Regasifizierungsterminals abzuschreiben.

Jetzt kommen also noch die Verarbeitungskosten auf den schon sehr hohen Einkaufspreis für das Gas. Rechnen wir ein bisschen. 4 USD für das Gas selbst, dann noch mindestens 4 USD für die Verflüssigung (ich denke da befinde ich mich im unteren Bereich) macht schon 8 USD. Dann noch mindestens 1.5 USD für den Schiffstransport und dann kommt noch der Tarif für den Terminal in Europa. Wir sind bei zumindest 10 USD pro mmBTU in Europa, aber das ist in etwa der Marktpreis hier. Damit ist im Besten aller Fälle kein Geld mit LNG aus den USA zu verdienen.

Im schlechtesten Fall verliert man zu allem was bis dato verloren wurde gleich noch ein Haufen mehr.

Aber das echte Risiko liegt in der völlig verschiedenen Preisstruktur des amerikanischen Gases. Henry Hub wird als Preisindikator für das LNG herhalten müssen, weil sonst amerikanische Produzenten ihre Kosten nicht verlässlich hereinbringen und wenn es für den Produzenten keine Preissicherheit gibt, wird auch niemand das Projekt finanzieren. Nordamerikanische Gaspreise sind auch grundsätzlich sehr volatil. Ich werde jetzt sicher komisch angeschaut, aber wer garantiert denn, dass US Erdgas eines Tages nicht das Doppelte von heute kosten könnte? Unmöglich – das habe ich schon oft gehört und es war sehr selten korrekt. Shale Gas war auch sozusagen unmöglich wirtschaftlich zu fördern. Aus heutiger Sicht schaut das auch ein wenig anders aus.

Seit es mich ins LNG verschlagen hat wundere ich mich immer wieder ob irgend jemandem die langfristige Natur des LNG richtig bewusst ist. Ein Deal muss um die 20 Jahre zuverlässig funktionieren und zwar für alle Partner. Wie soll das bei diesem Produktionskosten denn jemals gelingen? Und europäische Käufer löffeln die Suppe, als ob es kein Morgen gäbe.

Manchmal verkalkuliert man sich einfach. Das war so für europäische LNG Aspiranten, die in einer Welle des Wahnsinns LNG Kapazitäten kauften, ohne dafür die nötigen Umstrukturierungen und Investments zu machen. Das ist auch so für ehemalige US LNG Import Terminals, die jetzt mit Gewalt ihren bankrotten Milliarden-Gräbern einen neuen Sinn geben mussten. Asien ist das große Ziel, aber dafür liegen die meisten zu revitalisierenden Terminals auf der falschen Seite des Kontinents.

Die europäischen Aspiranten sollten sich lieber auf die wahren Möglichkeiten vor ihrer Haustüre konzentrieren, bevor sie völlig absurden Lösungen nachlaufen, nur um zeigen zu können dass sie irgendetwas tun um die Katastrophe abzuwenden. LNG aus den USA gehört sicher nicht dazu.

Was wäre also besser? Der Markt in Europa gibt nicht genug her um die absurd hohen LNG Preise, die heute üblich sind, bezahlen zu können. Nur jene mit Altverträgen bekommen noch LNG.

Zuerst muss der Marktpreis gehoben werden. Wie tun? Wenn der Gasmarkt nicht reicht, muss man sich überlegen was besser als der Gasmarkt ist und trotzdem mit LNG beliefert werden kann. Und da gibt es ein williges Opfer – Dieseltreibstoff. Der LNG als Treibstoffmarkt ist in Europa gerade eben am entstehen und die Margen sind um einiges höher als LNG gegen Pipeline-Gas zu rechnen.

Aber alles das nützt nichts ohne LNG. Die einzige Möglichkeit realistisch LNG zu erträglichen Preisen zu erstehen ist sein eigenes LNG Projekt zu bauen. Das bedeutet nach Gas bohren, in Gegenden zu gehen die sehr unangenehm sind, Projektmanagement betreiben und last but not least eine Menge Schweiß verlieren und Tränen vergießen. Man muss sich an Rückschläge gewöhnen und sehr viel Geduld für andere Kulturen mitbringen müssen. Am Ende braucht man jemanden der sowas kann und diese schwere Arbeit auch wirklich machen will. Nicht gerade die Kernkompetenz der europäischen LNG Aspiranten. Aber es ist die einzige Lösung mit Aussicht auf Erfolg.

Alles andere ist Asche in die Augen streuen.

Amerikanisches LNG für Europa – geht’s noch
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