Die Ölpreisbindung – eine Vogel-Strauß-Geschichte

Energie ist teuer im Staate Österreich, das ist wohl kein Geheimnis. Weniger klar ist allerdings wie es zu diesen sehr hohen Preisniveaus kommt.

Einen gewichtigen Anteil daran hat sicherlich der allgemeine Höhenflug der Preise für Primärenergie. Die Förderung von Öl und Gas kostet Geld und die billig zu fördernden Felder neigen sich dem Ende zu.

Ganz anders ist es mit dem Preis, zu dem sich Einkäufer am Markt eindecken.

Den genauen Einkaufspreis und die Formelparameter halten alle Gasversorger streng geheim. Daher beschränke ich mich hier ausschließlich auf die Struktur und gehe nicht auf Zahlen ein.

Österreich bezieht einen Großteil seines Erdgases aus Russland. Das ist nichts Schlechtes und den historisch gewachsenen Beziehungen (und vor allem den Erdgas Pipelines) geschuldet. Um diesem Erdgas einen Einkaufspreis zu geben, wurde seit jeher die mittlerweile berühmt berüchtigte Ölpreisbindung angewandt. Wie funktioniert die?

Einfach. Man nehme lediglich einen transparenten, durch den Markt festgesetzten Preis und multipliziere diesen mit einem Multiplikator. Das war es dann schon.

Der Marktpreis kann ein Rohölpreis sein, aber auch Preise von Ölprodukten wie Schweröl oder Heizöl, außerdem Kohle, beziehungsweise der Strompreis kommen zur Anwendung. In der Realität ist es eine kalte Formel, die zu einem rein mathematischen Kunstgriff ohne Bezug zur gelebten Realität, geworden ist.

Denn real ist einzig ein Marktpreis, und nur weil ein solcher in der Vergangenheit nicht existierte (so wie das vor der großen Liberalisierung der Fall war) ist die Fiktion Ölpreisbindung von Bedeutung gewesen. Sobald sich der Preis von selbst im Markt etabliert, verkommt die Ölpreisbindung zu dem was sie immer schon war. Einer grotesken Fiktion.

Als Erste mussten die Nordamerikaner die Lektion lernen, als dort in den achtziger Jahren unter Ronald Reagan der Gasmarkt liberalisiert wurde. Haben sich die nordamerikanischen Marktteilnehmer über die neu etablierten Hubpreise für Erdgas gefreut? Natürlich nicht. Vielmehr gab es Durchhalteparolen da man glaubte, dass sich die Ölpreisbindung am Ende wieder durchsetzen würde, denn – so war man sich einig – dieser Marktpreis eigne sich nicht zur sicheren Bewirtschaftung einer so schwierigen Materie wie Erdgas. Schiefergas hat mittlerweile eindrucksvoll das Gegenteil bewiesen.

Dann kamen die Briten in den Neunzigern mit ihrer eigenen Gasmarktliberalisierung. Das war die Geburt der virtuellen Hubs (NBP oder National Balancing Point). Amerikanische Hubs sind physische Gaspipeline Knotenpunkte die man gut auf einer Karte ausmachen konnte. Der NBP aber ist eine buchhalterische Größe und nur dazu gedacht, Verwerfungen in der Gasmengenbilanz des UK auszugleichen. Daher der Name. Bald merkte man allerdings, dass sich so etwas sehr gut zum Handeln eignete und ein Marktpreis etablierte sich ganz von alleine. Wieder Abwehrhaltung der etablierten Marktteilnehmer und auch dort ist heute die Ölpreisbindung nahezu verschwunden.

Nun kommt das kontinentale Europa und man sollte denken, dass man die Lektionen aus den USA und dem UK gelernt hätte. Aber nein. Die Amerikaner hatten noch die Ausrede, dass sie die ersten gewesen wären und es so nicht besser wussten, aber schon der einfache Menschenverstand müsste einem sagen, dass sich ein echter Markt nicht einengen lässt. Er macht was er will. Er ist der Markt.

Die hiesigen Marktteilnehmer hatten es sich in der Ölpreisbindung gemütlich gemacht. In Zeiten der vermeintlich ewig wachsenden Gasmärkte (also vor 2008) war die Ölpreisbindung natürlich ein ewiger Lottosechser für die europäischen Gasfirmen. Sie kauften relativ billiges Erdgas bei den Lieferanten durch Langfristverträge ein und verscherbelten es teuer am hochpreisigen Spotmarkt. Jeden Tag ergoss sich ein Füllhorn über ihnen – sie mussten nur die Hände ausstrecken.

Doch auch die Wirtschaft kennt das Prinzip der Schwerkraft. So geschehen 2008. Plötzlich war ein Gasüberangebot da, der Spotpreis verkehrte sich zum Super-Billig-Preis und formelgebundenes Gas war auf einmal sehr teuer. Was rauf geht, kommt unweigerlich wieder herunter.

Nun hatten sich aber die Versorger noch schnell per Langfristvertrag und Ölformel an die Lieferanten gebunden und konnten nicht mehr aus den Verträgen. Eigentlich hätte noch vor 2008 ein  Blick nach Amerika und den UK allen klar machen müssen, was passieren würde.

Die Situation war für unsere Versorger vergleichbar mit der Vertreibung aus dem Paradies. Wo einem Gasversorger vorher noch die gebratenen Tauben in den Mund geflogen sind, war auf einmal der siedende Schwefelpool der Hölle. Und der wurde mit Erdgas geheizt.

Die Gasversorger hatten den Kopf in den Sand gesteckt und hofften alles würde irgendwie an ihnen vorüberziehen, auch wenn sie selbst gar nicht richtig wussten wie das eigentlich geschehen sollte.

Der Verlierer war am Ende wieder einmal der Konsument, dem unter dem Deckmäntelchen der Versorgungssicherheit immer höhere Preise zugemutet wurden.

Die Ölpreisbindung – eine Vogel-Strauß-Geschichte
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